von Ruwida Tinawi und Hiba Bizreh

„Baden ist eine Wonne des Lebens!“, das ist ein Spruch, den meine Mutter immer beim Baden wiederholte, um meinen Bruder und mich als Kinder zum Baden zu verlocken. Bestimmt hat meine Mutter diesen bildhaften Spruch von ihrer türkischen Mutter übernommen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts – erst in der Türkei, dann in Damaskus – aus eigenem Erleben kein anderes Bad als das öffentliche Badehaus, den Hammam, kannte. Meine Großmutter fasste in diesem Spruch alle Lebensfreuden jener Zeit zusammen: das Ausgehen mit Töchtern und Nachbarinnen, das Sauberkeitsgefühl und – wohl am Allerwichtigsten – der im Hammam stattfindende ‚Damenempfang‘ mit Tanz, Gesang und Essen.

Der Besuch des öffentlichen Badehauses beschränkte sich nicht auf eine bestimmte Bevölkerungsschicht; es war ein gesellschaftlicher Ort für alle – Reiche und Arme. Oft war es außerdem eine wichtige Station für die Landbewohner, die in die Stadt kamen, um Einkäufe und Besorgungen zu machen. Es besaß also neben seiner hygienischen Rolle auch eine wichtige Funktion als Ort zur Entspannung vom manchmal anstrengenden Reisen.

Die Idee des öffentlichen Bades geht auf die Griechen im 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung zurück. Sie verbreitete sich dann durch die Seleukiden und Römer, deren Badehäuser äußerst imposant waren. Die Region Syrien war in römischer Zeit für seine Hammams bekannt.

واجهة حمامات شهبا
Eine Fassade der Bäder von Shahba – © Eva Haustein-Bartsch (CC-BY-NC-ND)

Beispiele für römische Bäder finden sich noch in Palmyra, Bosra, Sirjilla und Shahba. Die Tradition wurde später von den Muslimen weitergeführt, die in allen Städten Hammams mit eigenem Bau- und Kunststil bauten. Diese Bäder besaßen zudem eine ganz besondere gesellschaftliche Funktion. Es gab zwei Arten: einerseits die öffentlichen, die eigenständig betrieben wurden, und andererseits diejenigen, die in Palästen oder Bimaristanen (Krankenhäusern) integriert waren.

Der islamische Hammam besteht in der Regel aus vier Bereichen, die alle durch Kuppeln überdeckt werden:

Im sogenannten ‚äußeren Bereich‘ (al-barrani) kleidete man sich um. Die Halle, in deren Mitte ein Brunnen steht, war zudem ein Ort für Beisammensein, Unterhaltung und Austausch, ja sogar Geschäftsabwicklungen. Für Frauen war sie darüber hinaus ein beliebter Platz für festliche Anlässe, wie beispielsweise bei Heiraten und Geburten. Durch diesen Bereich gelangte man in den nächsten, den ‚mittleren Bereich‘ (al-wastani), in dem die Temperaturen mild waren. Der dritte Bereich wird als ‚innerer Bereich‘ (al-juwwani) bezeichnet und war der heißeste Raum des Bades. Der Boden ist mit bunten Marmorplatten ausgelegt, die kleinen Kuppeln, die den Raum überdecken, sind mit Glassteinen durchsetzt. Angrenzend an den Innenbereich befindet sich der Heizraum (al-qamim), wo das Wasser erhitzt und in den juwwani geleitet wurde. Der letzte Raum des Hammams ist ein Zimmer für den Beheizer (al-qamini), welcher für das ununterbrochene Beschicken des Ofens mit Brennmaterial verantwortlich war.

حمام بهرم باشا، قبة القسم الجواني
Die Kuppel des inneren Bereichs (juwwani) des Bahram Pasha-Bades – © Jean-Claude David (CC-BY-NC-ND)

In Damaskus befanden sich die meisten öffentlichen Badehäuser innerhalb der Altstadt, oft in der Nähe der Stadttore oder nahe bei Moscheen und Schulen. So z. B. der Hammam al-Malik az-Zahir, der an die Zahiriyya-Schule grenzte. Darüber hinaus wurden Badehäuser gerade auch in den Hauptmarktbereichen nahe bei den Khanen (Handelsgebäuden mit Beherbergungsfunktion) zur Versorgung von Händlern und Reisenden angelegt, so z. B. der Hammam Nur ad-Din ash-Shahid im Buzuriyya-Markt. Infolge der Erweiterung der Stadt in aiyubidischer Zeit über die Stadtmauer hinaus, wurden die Hammams im nördlichen Viertel an dem Flüßchen Tawra (Tura) entlang errichtet; dort finden wir fünf Hammams, von denen manche, wie der Hammam Ammuna, immer noch in Betrieb sind.

Eines der berühmtesten mamlukischen Badehäuser außerhalb der Stadtmauer von Damaskus ist der Hammam al-Qaramani in der Nähe des Marja-Platzes. Ein anderes, ebenfalls noch genutztes aus der Mamlukenzeit ist der Hammam al-Muqaddam im Vorort Salihiyya, wo auch der Hammam ʿAbd al-Basit gebaut wurde. Der Hammam at-Tayruzi (at-Tawrizi) zählt außerdem zu den schönsten und besterhaltenen; er wurde von dem mamlukischen Prinz at-Tawrizi als Teil eines Baukomplexes errichtet, zu dem eine Moschee und sein Grabmal gehören. Der Hammam Fathi im Midan-Viertel ist durch die reichen Ornamente seiner Fassade ein besonderes Beispiel osmanischer Baukunst in Damaskus.

Aleppo: gestreifte Facade des Mamlukisch-Osmanischen Hammam Yalbugha an-Nasiri
Gestreifte Facade des Mamlukisch-Osmanischen Hammam Yalbugha an-Nasiri – © Peter Heiske (CC-BY-NC-ND)

Die Aleppiner haben der öffentlichen Badekultur ein neues Element zugefügt: die Lorbeerseife – sie genießt seit langem Weltruhm. In Aleppo wurden zudem bauliche Stilelemente übernommen, die aus Istanbul und Anatolien kamen. Der Hammam an-Nahhasin wird als berühmtestes Badehaus aus aiyubidischer Zeit angesehen; er zeichnet sich durch eine mit gläsernen Lichtöffnungen verzierte Kuppel aus. Leider wurde dieser Hammam in den letzten Jahren des Krieges in Syrien beschädigt. Unter den mamlukischen Badehäusern ist vor allem der Hammam Yalbugha an-Nasiri am Fuße der Zitadelle zu nennen, der als einer der schönsten islamischen Hammams von Aleppo gilt; er besitzt eine eindrucksvolle Fassade mit waagrechtem Wechsel von gelblichen und schwarzen Steinlagen und der hohe, von Emblemen geschmückte Eingang wird zu beiden Seiten von Fenstern umrahmt. Wie zahlreiche Aleppiner Architekturschätze wurde dieses Badehaus durch den letzten Krieg in großen Teilen beschädigt. Im Hammam Bahram Basha zeigt sich eine Entwicklung des Hammam-Baus in osmanischer Zeit in Aleppo: Seine Nordfassade öffnet sich nach außen, auch sie wird durch den typischen Wechsel von hellen und schwarzen Steinen (ablaq) geprägt.

Die meisten syrischen Städte besitzen öffentliche Badehäuser. Besonders berühmt sind der Hammam as-Sultan in Hama, der Hammam at-Tasawir in Jabla, der Hammam al-Basha und der Hammam al-ʿUthmaniyya in Homs. Letzterer wurde erst kürzlich restauriert und wieder in Betrieb genommen. In Bosra wurden die Ruinen des mamlukischen Hammam al-Manjak in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts von der Generaldirektion der Altertümer und Museen Syriens gemeinsam mit dem Deutschen Archäologischen Institut restauriert und beherbergte daraufhin das kleine Islamische Museum. Der mamlukische Hammam in as-Salamiyya ist durch seine Kuppeln, die nach oben hin leicht zugespitzt verlaufen, weithin zu erkennen.

مدخل حمام عبد الباسط
Der Eingang des ʿAbd al-Basit Hammam (Badehaus) zu beginn des 20. Jh. AD – © Collection DAI-ISL (CC-BY-NC-ND)

Viele öffentliche Badehäuser sind aus den syrischen Städten verschwunden. Andere stehen immer noch, haben jedoch ihre Funktion als Hammam verloren und sind in Läden oder Werkstätten umgewandelt. Zum Glück blieben einige als Bäder erhalten und wurden restauriert, wie der Hammam al-Qaramani und der Hammam Ammuna in Damaskus.

Seit einiger Zeit besuchen immer mehr Syrer wieder die öffentlichen Hammams – um Traditionen und Gebräuche zu bewahren, um Erholung vom Alltag zu finden und vielleicht auch, um den Krieg an einem Ort der Entspannung für eine kurze Zeit zu vergessen. Genau wie der kulturhistorische Hintergrund des Hammam-Baus wurzeln die Worte unserer Vorfahren im kollektiven Gedächtnis. Wie immer auch die örtlichen und zeitlichen Veränderungen sein mögen und sich die Lebensbedingungen wandeln, so kann ich persönlich den Hammam – den öffentlichen wie den privaten – nur als eine Wonne des Lebens sehen.

ِAutorenschaft von Hiba Bizreh

Archäologin aus Syrien. Arbeitete am Syrian Heritage Archive Project in der Zeit von 2018-2019

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