1. Die Kunst der syrischen Textilherstellung
  2. Ein Filzteppich von al-Bab
  3. Die Fäden des Lebens: Syrische Textilornamente
  4. Verborgene Persönlichkeiten: Die Frauen aus Duma
  5. Die Farbe, die ewig währt: Textildruck in Syrien
  6. Von Tieren und Pflanzen: Rohmaterialien für Textilien
  7. Ein Blick in die Welt des syrischen Seidenbaus
  8. Einblicke in das jahrhundertealte Seidenhandwerk Syriens
  9. Was bleibt von der Seidenstraße?
  10. Menschen der Wüste: Die Kleidung der Beduinen
  11. Teppiche aus Raqqa: Eine Erinnerung
  12. Traditionelle Textilherstellung: eine gefährdete Tradition
  13. Unvergessen: Der Duft der Erinnerung

von Rania Kataf

Eine der schönsten Szenen, die sich Geschichtenerzähler in Erinnerung an ihre geliebte Stadt Aleppo wieder ins Bewusstsein zurückrufen, ist das Bild der farbenfrohen handbedruckten Textilien, die an den Wänden der großen Zitadelle hingen. „Die Gestaltung der Stoffe schuf einen einzigartiger Regenbogen aus verschiedenen Mustern, ein Mosaik aus über 300 verschiedenen Drucken, die im Handel zwischen Ost und West hergestellt wurden”, erzählt Mr. Bsata, ein junger Kaufmann aus Aleppo. Er erinnert sich gut an die guten alten Zeiten, als er die Färber bei ihrer magischen Arbeit in der Altstadt beobachtete. Leider ist diese Szene mittlerweile verschwunden. Was bleibt sind lediglich die Erinnerungen derer, die im Handwerk gearbeitet haben; und die Erinnerungen der älteren Menschen, die die Geschichten eines einst kriegslosen Aleppo durch ihre gespaltenen trockenen Lippen erzählen – durstig nach einer Vergangenheit, die, wie sie befürchten, für immer verloren scheint.

Handbedruckte Stoffe galten jahrhundertelang als Gebrauchsgegenstand und waren in jedem Haushalt und den Souks von Aleppo, Damaskus und Hama, wo sie hergestellt wurden, sehr beliebt. Frauen aus Deir al-Zour reisten nach Aleppo, um den Habari zu kaufen, einen handbedruckten Seidenstoff, der zum Bedecken ihrer Haare vor allem bei Festen verwendet wurde. Habaris gab es in vielen Farben und Druckmustern, die größtenteils von der Natur beeinflusst waren. Frauen wickelten sich ein bis drei verschiedenfarbige Seidenstücke um die Stirn und hielten dies für ein Zeichen von Luxus und unsterblicher Schönheit.

Hama hingegen war berühmt für seine weißen Baumwollstoffe mit schwarzen Blumen- oder geometrischen Mustern, die hauptsächlich als Tischdecken oder Bettdecken verwendet wurden. Es ist interessant anzumerken, dass die Bewegung der Beduinen innerhalb und außerhalb Syriens eine wichtige Rolle bei der Verbreitung dieses Stoffes in den Irak gespielt hat. Mit der Zeit ersetzten mehr Farben die schlichte weiße Baumwolle, von Grün über Burgunderrot bis hin zu Marineblau. „Diese dunkleren Pigmente waren besser für die Reise geeignet“, erklärt Hassan Dahabi, ein Händler in der Altstadt von Damaskus. „Beduinen zogen sie wegen ihrer Qualität anderen Textilien vor und Ausländer kauften sie als Tischdecken.“ Als Signatur blieb jedoch die schwarze Farbe bestehen, die den Ursprung des Handwerks und der Männer der Stadt Hama symbolisierte. „Alles ist nur vorübergehend, aber schwarze Farbe ist dauerhaft und ein Symbol für Macht. Deshalb verwendeten Drucker in Hama meist die schwarze Tinte in ihrem Handwerk“, erklärt Herr Dahabi.

In Damaskus wurden an zwei Orten in der Altstadt handbedruckte Stoffe hergestellt: in einem Khan in Midhat Pasha, namens Khan al-Dikkeh, und im jüdischen Viertel. Der in Khan al-Dikkeh hergestellte Stoff wurde von den Männern einer Familie namens al-Tabbaa hergestellt, was übersetzt Farbendrucker bedeutet. Nur ein paar Meter entfernt beherrschten Frauen und Kinder im jüdischen Viertel das Handwerk ebenfalls und glaubten, dass ein solch filigranes Handwerk sensible und feinfühlige Hände erfordert. Eine der bekanntesten jüdischen Familien, die im Holzschnitt-Druck gearbeitet haben, waren die Sassoons. Deren Enkelin Dalida Barukh-Sassoon spricht von ihnen als „den Pionieren dieses alten Handwerks“. Die Familie besaß eine eigene Handelsroute für den Transport ihrer Stoffe von Indien über Griechenland nach Großbritannien.

Obwohl diese Handarbeiten aufgrund des Verschwinden ihrer Meister und der Einführung neuer Technologien in der Textilindustrie vom Aussterben bedroht sind, ist das einzige, was sicher bleibt, die Rolle, die syrische Städte historisch als Produktions- und Handelszentren in der Textilproduktion gespielt haben – eine Geschichte, die Handwerker und Händler seit Jahrhunderten in die Erinnerungen unserer Vorfahren eingedruckt haben, mit Farbe, die die Zeiten überdauern wird.


Rania Kataf ist eine in Damaskus lebende Künstlerin, die die Erinnerung der Stadt durch Geschichten und Fotografien dokumentiert. Mit ihrer Facebookgruppe ´Humans of Damascus´ versucht sie, Damaszener in diesen Prozess online einzubinden.

ِAutorenschaft von Syrian Heritage Archive Project

Gemeinschaftsprojekt zur Digitalisierung von Beständen des syrischen Kulturerbes aus Deutschland (Museum für Islamische Kunst in Berlin und Deutsches Archäologisches Institut) in der Zeit von 2013-2019

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