von Eva Nmeir
Die Hauptmoscheen von Damaskus und Aleppo bilden jeweils den ausgedehnten, belebten Kern der dicht bebauten historischen Altstadt dieser größten und traditionsreichsten syrischen Städte. Beide sind unter dem Namen „al-Jamiʿ al-Umawi al-Kabir“ („Große Umayyadische Freitagsmoschee“) bekannt. Sie wurden vor rund 1300 Jahren gegründet, als das Kalifat der Umayyaden (41–132 AH / 661–750 n. Chr.) auf dem Höhepunkt seiner Macht war und von Syrien mit Damaskus als Hauptstadt das erste arabisch-islamische Großreich regiert wurde. Noch heute zählen sie zu den bedeutendsten Gebetshäusern der Welt.


Beide Moscheen entstanden Ende des 1. Jahrhunderts AH / Anfang des 8. Jahrhunderts n. Chr. in Form einer Hofmoschee mit querrechteckigem Grundriss und einer tiefen Gebetshalle (Haram) entlang der südlichen, Mekka zugewandten Seite; das ursprüngliche Vorhandensein der schmäleren, den Hof (Sahn) umlaufenden Hallen (Riwaq) ist für Damaskus belegt (Abb. 1, 2). Tatsächlich erfuhren die Ursprungsbauten jeweils eine ganz eigene Entwicklung – Zerstörungen durch Krieg, Feuer oder Erdbeben waren häufig, ihre Erneuerung bzw. Instandsetzung gehört bis heute zu den vornehmsten Bauaufgaben höchster Machthaber. Während die Damaszener Umayyaden-Moschee durch die jüngsten Kriegshandlungen in Syrien nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist die Aleppiner Moschee stark beschädigt.
In einzigartiger Weise spiegeln die Bau- und Dekorstile Syriens wechselvolle, vielschichtige Geschichte wider. Sie zeugen auch von den unterschiedlichen geographisch-politischen Grundbedingungen, denen die Städte Damaskus und Aleppo in der Mitte bzw. im Norden des Landes unterworfen waren. Eine nähere Betrachtung dieser beiden außergewöhnlichen Bauwerke erschließt einige grundlegende Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Die Große Umayyaden-Moschee von Damaskus



Die Große Umayyaden-Moschee von Damaskus (Abb. 1, 3, 4) ist der älteste erhalten gebliebene Moscheebau. Wesentliche Grundzüge von Architektur und dekorativer Ausgestaltung sind – wenn auch nur bedingt in der alten Bausubstanz – beibehalten. Diese Große Moschee wurde von Kalif al-Walid ibn ʿAbd al-Malik in Auftrag gegeben und 96 AH / 715 n. Chr. fertiggestellt. Der Bau nutzt die Umfassungsmauer des antiken römischen Jupiter-Tempels, unter dem die Überreste des aramäischen Hadad-Tempels liegen. Die spätantike, Johannes dem Täufer geweihte Bischofskirche auf diesem Grund wurde abgetragen, das Material weitergenutzt. Das Haupt des Heiligen bzw. Propheten (Yuhanna al-Maʿmadan, im Koran Yahya) soll im Schrein der Moschee verwahrt sein. Er ist ein bedeutender Pilgerort für Muslime und Christen (Abb. 5).
Die Umayyaden-Moschee, deren Länge und Breite 100 x 157,5 m betragen, ermöglicht den Blick auf die Anfänge monumentaler Moscheearchitektur. Diese bildete sich in Syrien im Kontakt mit der angestammten spätantik-frühbyzantinischen Bautradition aus. In Anklang an den Kirchentypus der Basilika verlaufen in der weiten und lichten Gebetshalle parallel zur Langseite hohe, doppelgeschossige Bogenreihen, die drei Schiffe bilden und das Dach tragen; sie ruhen auf je 20 großen, wiederverwendeten Säulen mit korinthischen Kapitellen (Abb. 4). Allerdings ist die Moschee anders ausgerichtet: Ein rechtwinklig dazu durchlaufender, breiter und hoher Querbau (Transept) mit Kuppel betont den Raum vor einer zentralen Gebetsnische (Mihrab) in der südlichen Qibla-Wand. Diese bezeichnet den Standort des Vorbeters – beim damaligen Freitagsgebet war dies oftmals der Kalif (Abb. 1, 3, 6).


Das „Minarett der Braut“ auf der gegenüberliegenden Seite des Hofes neben dem Nordtor, das „Jesus-Minarett“ an der südöstlichen Ecke der Gebetshalle und das südwestliche „Qaytbay-Minarett“ entstanden in mehreren, mindestens in das 3. Jahrhundert AH / 9. Jahrhundert n. Chr. – in abbasidische Zeit – zurückreichende Bauphasen (Abb. 1). Die beiden erstgenannten Moscheetürme haben einen klassischen quadratischen Schaft mit verschiedenförmigen Aufsätzen, der letztere Eckturm ist achteckig. Dieses stilistisch einheitliche Minarett war zuletzt Ende des 9. Jahrhunderts AH / 15. Jahrhunderts n. Chr. durch den mamlukischen Sultan Qaytbay wiederaufgebaut worden.
Wanddekorationen aus zweizonig übereinander gesetzten Marmorplatten und Goldgrundmosaiken gehören zu den charakteristischen Dekorelementen des Ursprungsbaus. Dies geht auf byzantinischen Einfluss zurück. Einige wenige originale und originalgetreue Teile entgingen dem letzten verheerenden Großbrand von 1893, in osmanischer Zeit, weitere Mosaiken wurden später freigelegt. Insbesondere das Innere der Gebetshalle weist heute einen in wesentlichen Details veränderten Dekorcharakter auf (Abb. 6, 7).

Die Glasmosaiken an der beherrschenden Dreiecksgiebelfassade des Querbaus und entlang der westlichen Hofhalle zeigen pflanzliche Motive sowie großflächige Garten-, Fluss- und Gebäudelandschaften (Abb. 3, 8). Anders als in der christlich-antiken Tradition wird auf die Darstellung von Lebewesen aufgrund des religiösen baulichen Zusammenhangs verzichtet. Interessanterweise griff man in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts AH / 13. Jahrhunderts n. Chr. bewusst auf diese kostbare Dekortechnik zurück, um das Mausoleum des ersten Mamluken-Sultans Baybars in der benachbarten Madrasa az-Zahiriyya angemessen zu schmücken.
Großartigkeit und Pracht der Großen Umayyaden-Moschee von Damaskus beeindrucken und wirken bis in unsere Zeit. Sie gilt als Inbegriff des hochstehenden islamischen Kulturerbes von Syrien und in religiöser Hinsicht als eines der ehrwürdigsten Gebetshäuser des Islams. Architekturhistorisch ist die monumentale Moscheeanlage mit ihrer breitgestreckten Gebetshalle von zentraler Bedeutung insbesondere für die syrische Architekturregion und die nachfolgenden Entwicklungen frühislamischer Stützenmoscheen, darunter einige der eindrucksvollsten Freitagsmoscheen im südlichen Mittelmeerraum sowie die durch die Umayyaden-Herrscher von Al-Andalus (muslimisches Spanien und Portugal) gebaute Große Moschee von Cordoba.
Die Große Umayyaden-Moschee von Aleppo


Die Große Umayyaden-Moschee von Aleppo (Abb. 2, 9, 10) entstand mit kurzem zeitlichen Abstand zu jener von Damaskus um 96 AH / 715 n. Chr. Sie geht möglicherweise ebenfalls auf al-Walid I. oder auf seinen Nachfolger Sulayman ibn ʿAbd al-Malik zurück. Hier wurde ein Geländeteil der byzantinischen Bischofskirche Sankt Helena als Standort gewählt. In der antiken Stadt war dies vermutlich der Standort des zentralen öffentlichen Platzes – des römischen Forums bzw. der griechisch-hellenistischen Agora. Der Ursprungsbau ist vollständig verloren. Er soll einer späteren historischen Quelle zufolge nach dem Vorbild der Damaszener Moschee ausgestaltet gewesen sein.
Die heutige Große Moschee misst 77,75 x 105 m und ist damit annähernd halb so groß wie die Damaszener Moschee. Sie geht in erster Linie zurück auf die Bau- und Erweiterungsmaßnahmen durch den zengidischen Sultan Nur ad-Din sowie die Bauaktivitäten in ayyubidischer und schließlich frühmamlukischer Zeit (zwischen der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts AH / 12. Jahrhunderts n. Chr. und dem Ende des 7. Jahrhunderts AH / 13. Jahrhunderts n. Chr.). Ihr Schrein ist dem Propheten Zakariya, Vater des Propheten Yahya, gewidmet (Abb. 11). Dessen Inhalt war von Sultan Baybars nach der Zerstörung Aleppos durch die Mongolen 658 AH / 1260 n. Chr. aus der Maqam Ibrahim-Moschee auf der Stadtburg in die Umayyaden-Moschee verbracht worden.


Die dreischiffige Gebetshalle erhielt ihre letzte Gestalt im Rahmen des 684 AH / 1285 n. Chr. abgeschlossenen Wiederaufbaus durch den mamlukischen Sultan Qalawun. Dabei wurden alle Säulen durch Pfeiler ersetzt. Zwischen vier Reihen zu je 20 quadratischen Pfeilern spannen sich nun Kreuzgratgewölbe (Abb. 10). Dies vermittelt Besuchern einen ebenmäßig geschlossenen, wenn auch etwas gedrungenen Raumeindruck und wirkt durch den geringen Lichteinfall feierlich. Einzig der Gang zwischen dem Eingangsportal und der Hauptgebetsnische ist ein wenig breiter als die übrigen und wird durch eine Kuppel gekennzeichnet (Abb. 9, 12).
Insgesamt trägt die beeindruckende Steinarchitektur, deren Dekor aus Steineinlagen und -reliefs auf die wichtigsten Bauelemente beschränkt ist, einen nüchternen Charakter (Abb. 9–12). Dem Vorbild dieser überwölbten Gebetshalle folgend wurden wichtige Freitagsmoscheen in Aleppo und anderen Städten der westlichen syrischen Architekturlandschaft neu gebaut oder umgestaltet. Pfeiler und kreuzgewölbte Decken gehören ebenfalls zu den typischen Elementen der mittelalterlichen Kreuzfahrer-Architektur Syriens und des östlichen Mittelmeerraums.


Das 45 m hohe, quadratische Minarett der Großen Moschee stürzte 2013 ein (Abb. 2, 14). Es war der älteste und größte erhaltene Gebäudeteil und stammte aus den 480er Jahren AH / 1090er Jahren n. Chr., aus seldschukischer Zeit. Dieses Minarett wurde durch den einflussreichen Richter von Aleppo, den Qadi Ibn al-Khashshab, bei dem örtlichen Architekten as-Sarmani in Auftrag gegeben. Der charakteristische mehrzonige Dekor entstand unter Rückgriff auf die bogenförmig umlaufenden Profilbänder der nordsyrischen spätantik-frühbyzantinischen Bautradition im Zusammenspiel mit islamischen Fassadenelementen wie Inschriftenbändern. Er war stilbildend für weitere Minarette.
Dieses Meisterwerk der Minarettarchitektur, das über 900 Jahre lang die Moschee und den angrenzenden zentralen Marktbereich Suq al-Madina überragt hatte, wird der Stadt als ein berühmtes Wahrzeichen erhalten bleiben: ein umfassender Wiederaufbau der Großen Umayyaden-Moschee von Aleppo ist im Gange (Abb. 13).
Beitragsbild: Blick über das Dach der südwestlich gelegenen Madrasat Ismaʿil Basha al-ʿAzm auf die Großen Umayyaden-Moschee von Damaskus mit dem hohen Querhaus der Gebetshalle mit zentraler Kuppel und den drei Minaretten (1985) | Museum für Islamische Kunst, Staatliche Museen zu Berlin, Sammlung Eugen Wirth (CC-BY-NC-SA)
Autorenschaft von Eva Nmeir: Kunsthistorikerin mit besonderem Bezug zu Syrien. Sie bearbeitete für das Syrian Heritage Archive Project und seine Co-Projekte unter anderem die Weltkulturerbestätten „Altstadt von Aleppo“ und „Antike Dörfer in Nordsyrien“.