1. Stimmen der syrischen Musik
  2. Zeitgenössische klassische Musik in Syrien
  3. Musikalische Diversität in Syrien
  4. Musik & Community in Syria
  5. Volksmusik
  6. Musik & Religion
  7. Jazz Lives in Syria
  8. Der Klang von Dayr az-Zawr
  9. Muwashahat: Eine Erinnerung aus Damaskus

von Rania Kataf

Als echte Damaszenerin verkörpern meine Kindheitserinnerungen Echos von Muwashah, die wie Hintergrundmusik mein Alltagsleben stets begleitetet haben. Sei es die intensive und samtweiche Stimme von Fairuz, die aus dem Radio auf dem Weg zur Schule erklang oder bei jedem Würfelwurf einer Partie Tawleh (Backgammon) in einem Café in Salhiyyeh mit meinem Großvater, wenn die Melodien von „ya mal al Sham“ mit der authentischen Stimme von Sabah Fakhri aus Aleppo die Ohren und das Gemüt der Anwesenden im Café erfreuten.

Die klassische und doch sehr moderne Musikrichtung der al-Muwashahat (Plural von Muwashah) wird heute in der Regel mit der andalusischen Musik, al-Muwashahat al-Andalusia, in Verbindung gebracht, die für ihre sinnliche Bildsprache und ihre einzigartige poetisch-literarische Form bekannt ist. Die Schule der Muwashahat begann im 9. Jahrhundert im heutigen Spanien zu florieren und war ein Nebenprodukt des regen kulturellen Austauschs zwischen Ost und West in der andalusischen Gesellschaft. Aber auch in Syrien war Muwashahat schon immer ein wichtiger Teil unseres lebendigen Kulturerbes und für mich persönlich ein wichtiger Teil meiner Kindheitserinnerungen aus Damaskus.  

Der Klang von al-Muwashahat

Sara Darwish ist Studentin des Higher Institute for Music in Damaskus und weiß, wie man die besondere Atmosphäre von al-Muwashahat in der wunderschönen Kulisse eines traditionellen Hofhauses in Damaskus hautnah erlebbar macht. An einem Ort, wo man die Düfte des Damaszener Lebens riechen und das frische Plätschern des Brunnens im Hintergrund hören kann.

Sara Darwish singt ihre Lieblingsstücke aus dem Genre der al-Muwashahat

[Min 0:22] Sara Darwish singt Gedichtzeilen aus einer berühmten andalusischen Muwashshah, die später von den Rahbani-Brüdern komponiert wurde, und ein Lied von Fairuz, bekannt als „Ya Man Hawa Ward Al-riyyadi bi Khaddihi“.

[Min 1:23] Sara Darwish singt Zeilen aus „Ya Ghazalan Qad Jafani“ und zieht musikalische Verbindungen zu den Ähnlichkeiten mit dem Walzer. „Ya Ghazalan Qad Jafani“ ist ein weiteres berühmtes Muwashah mit einem Text von Muhammad Harbali und Musik von Bahjat Hassan.

[Min 1:46] ] Sara singt den Anfang von „Yamuru Ojban Muwashah“. Das Lied besteht aus einem Gedicht von Fakhri al Baroudi, von Omar al Batch komponiert und wurde in Syrien von Sabah Fakhri und vielen anderen Tenorsängern gesungen.

Für Ibrahim al-Sheikh Omar, einen Musiklehrer und Komponisten, sind seine Erinnerungen an al-Muwashah eng mit Damaskus verbunden. Während wir durch eine der alten Gassen der Altstadt spazieren, erzählt er mir von seinem Damaszener Haus, dem offenen Innenhof und den zwitschernden Vögeln, die im Rhythmus des Wasserbrunnens in der Mitte ihres Hofes singen. Al-Sheikh entwickelte seine Liebe zur Musik und zu al-Muwashah schon in jungen Jahren: „Alles an dieser Stadt, ihrer Elemente und die Art, wie sie mit deiner Seele kommuniziert, macht dich zu einem Künstler.“

Muwashahat: Eine Erinnerung aus Damaskus
Zwitschernde Vögel in einem Innenhof in Damaskus | Rania Kataf (CC-BY-NC-ND)

Es ist kein Wunder, dass Muwashah auch Jahrhunderte nach dem Fall Andalusiens in Syrien wieder aufblühte und sich in den Stimmen von Künstlern wie Sabah Fakhri und in den Werken von Fakhri al Baroudi, Omar al Batch und dem Vater des arabischen Musiktheaters Abu Khalil Qabbani wiederfand. In seinem Buch über traditionelle Damaszener Rezepte „Kitab al Tabeekh w Moujam al Maa’koulat al Dimashkiyyeh“ erwähnt Baroudi den unglücklichen Verlust seines Erinnerungsbuchs als sein Haus während des Staatsstreichs 1963 in Brand geriet. Das Buch war sein persönliches Archiv und enthielt unter anderem alle seine persönlichen Werke der Damaszener Muwashahat. Anstatt aufzugeben, suchte Baroudi die Hilfe von Omar al Batch aus Aleppo. Gemeinsam gründeten sie ein Musikinstitut und eine Band, aber vor allem nahm al Batch Baroudis Gedichte in seine Werke auf und schuf so eine ganz besondere Komposition von Muwashahat.

Muwashahat: Eine Erinnerung aus Damaskus

Infobox


Das Wort Muwashah bezieht sich auf einen Gedichtstil, der sich im 9. Jahrhundert im islamischen Spanien al-Andalus als neue Innovation der klassischen arabischen Poesie entwickelt hat, die sich später zu einem musikalischen Genre entwickelte. Dieser neue Stil erlaubte es den Dichtern, mehrere Rhythmen (Awzan) und Umgangssprache in ein und demselben Gedicht zu verwenden, im Gegensatz zu klassischen Gedichten, die meist in einem einzigen Rhythmus und in anspruchsvollem klassischem Arabisch verfasst waren. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts begann man, die Aufführung von Muwashahat mit Musik zu begleiten. Ein Grund dafür könnte die Einfachheit der Sprache und die Vielfalt der Rhythmen sein, die dieses Genre für den Gesang geeigneter und für die Vokalkomposition einfacher machten als die klassische Poesie.
 
Eine berühmte andalusische Muwashah, die auch heute noch aufgeführt wird und in der arabischen Welt bekannt ist, ist das Jadaka al ghaythu des granadinischen Dichters und Politikers Lisan al-Din Ibn al-Khatib, in der er seine Trauer über den Untergang der andalusischen Königreiche im vierzehnten Jahrhundert beschreibt. Dieses historische Ereignis markierte eine Wende in der Entwicklung und Verbreitung der Muwashah. Der Fall von Al-Andalus führte zu einem drastischen demografischen Wandel mit einer Migrationsbewegung von einer halben Million Arabern nach Nordafrika. Es wird angenommen, dass die Muwashahat dadurch in neue Regionen getragen wurde und noch heute im musikalischen und poetischen Erbe anderer Gebiete wie Jemen, Ägypten, Libanon, Palästina und Syrien zu finden ist, wo sich seither verschiedene Zweige der Muwashahat entwickelt haben. Die Frage, woher sie ursprünglich stammt, gibt jedoch bis heute Anlass zu Diskussionen.

Wir dürfen auch den legendären Abu Khalil Qabbani (1835 – 1902) nicht vergessen, der viele vergessene Muwashahat aus unserem arabischen Erbe wiederbelebt hat. Qabbani gilt als der Vater des syrischen Theaters und als Begründer der Operette im arabischen Theater. Er studierte die Muwashahat in dem Glauben, dass sie einen Teil der kulturellen Identität von Damaskus ausmacht. Er komponierte und schrieb fünf Original-Muwashahat neu, darunter das berühmte Folklorelied „ya tera tiri ya hamama“ und, wie ich herausgefunden habe, mein persönliches Lieblingslied „ya mal al Sham“. Qabbani führte viele dieser Stücke in seinen Theaterstücken auf, die seit den 1870er Jahren in Damaskus aufgeführt wurden, doch viele seiner Werke sind in Vergessenheit geraten, da sie zu seinen Lebzeiten nicht aufgezeichnet wurden.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert