von Rania Kataf
Als echte Damaszenerin verkörpern meine Kindheitserinnerungen Echos von Muwashah, die wie Hintergrundmusik mein Alltagsleben stets begleitetet haben. Sei es die intensive und samtweiche Stimme von Fairuz, die aus dem Radio auf dem Weg zur Schule erklang oder bei jedem Würfelwurf einer Partie Tawleh (Backgammon) in einem Café in Salhiyyeh mit meinem Großvater, wenn die Melodien von „ya mal al Sham“ mit der authentischen Stimme von Sabah Fakhri aus Aleppo die Ohren und das Gemüt der Anwesenden im Café erfreuten.
Die klassische und doch sehr moderne Musikrichtung der al-Muwashahat (Plural von Muwashah) wird heute in der Regel mit der andalusischen Musik, al-Muwashahat al-Andalusia, in Verbindung gebracht, die für ihre sinnliche Bildsprache und ihre einzigartige poetisch-literarische Form bekannt ist. Die Schule der Muwashahat begann im 9. Jahrhundert im heutigen Spanien zu florieren und war ein Nebenprodukt des regen kulturellen Austauschs zwischen Ost und West in der andalusischen Gesellschaft. Aber auch in Syrien war Muwashahat schon immer ein wichtiger Teil unseres lebendigen Kulturerbes und für mich persönlich ein wichtiger Teil meiner Kindheitserinnerungen aus Damaskus.
Der Klang von al-Muwashahat
Sara Darwish ist Studentin des Higher Institute for Music in Damaskus und weiß, wie man die besondere Atmosphäre von al-Muwashahat in der wunderschönen Kulisse eines traditionellen Hofhauses in Damaskus hautnah erlebbar macht. An einem Ort, wo man die Düfte des Damaszener Lebens riechen und das frische Plätschern des Brunnens im Hintergrund hören kann.
[Min 0:22] Sara Darwish singt Gedichtzeilen aus einer berühmten andalusischen Muwashshah, die später von den Rahbani-Brüdern komponiert wurde, und ein Lied von Fairuz, bekannt als „Ya Man Hawa Ward Al-riyyadi bi Khaddihi“.
[Min 1:23] Sara Darwish singt Zeilen aus „Ya Ghazalan Qad Jafani“ und zieht musikalische Verbindungen zu den Ähnlichkeiten mit dem Walzer. „Ya Ghazalan Qad Jafani“ ist ein weiteres berühmtes Muwashah mit einem Text von Muhammad Harbali und Musik von Bahjat Hassan.
[Min 1:46] ] Sara singt den Anfang von „Yamuru Ojban Muwashah“. Das Lied besteht aus einem Gedicht von Fakhri al Baroudi, von Omar al Batch komponiert und wurde in Syrien von Sabah Fakhri und vielen anderen Tenorsängern gesungen.
Für Ibrahim al-Sheikh Omar, einen Musiklehrer und Komponisten, sind seine Erinnerungen an al-Muwashah eng mit Damaskus verbunden. Während wir durch eine der alten Gassen der Altstadt spazieren, erzählt er mir von seinem Damaszener Haus, dem offenen Innenhof und den zwitschernden Vögeln, die im Rhythmus des Wasserbrunnens in der Mitte ihres Hofes singen. Al-Sheikh entwickelte seine Liebe zur Musik und zu al-Muwashah schon in jungen Jahren: „Alles an dieser Stadt, ihrer Elemente und die Art, wie sie mit deiner Seele kommuniziert, macht dich zu einem Künstler.“

Es ist kein Wunder, dass Muwashah auch Jahrhunderte nach dem Fall Andalusiens in Syrien wieder aufblühte und sich in den Stimmen von Künstlern wie Sabah Fakhri und in den Werken von Fakhri al Baroudi, Omar al Batch und dem Vater des arabischen Musiktheaters Abu Khalil Qabbani wiederfand. In seinem Buch über traditionelle Damaszener Rezepte „Kitab al Tabeekh w Moujam al Maa’koulat al Dimashkiyyeh“ erwähnt Baroudi den unglücklichen Verlust seines Erinnerungsbuchs als sein Haus während des Staatsstreichs 1963 in Brand geriet. Das Buch war sein persönliches Archiv und enthielt unter anderem alle seine persönlichen Werke der Damaszener Muwashahat. Anstatt aufzugeben, suchte Baroudi die Hilfe von Omar al Batch aus Aleppo. Gemeinsam gründeten sie ein Musikinstitut und eine Band, aber vor allem nahm al Batch Baroudis Gedichte in seine Werke auf und schuf so eine ganz besondere Komposition von Muwashahat.
Wir dürfen auch den legendären Abu Khalil Qabbani (1835 – 1902) nicht vergessen, der viele vergessene Muwashahat aus unserem arabischen Erbe wiederbelebt hat. Qabbani gilt als der Vater des syrischen Theaters und als Begründer der Operette im arabischen Theater. Er studierte die Muwashahat in dem Glauben, dass sie einen Teil der kulturellen Identität von Damaskus ausmacht. Er komponierte und schrieb fünf Original-Muwashahat neu, darunter das berühmte Folklorelied „ya tera tiri ya hamama“ und, wie ich herausgefunden habe, mein persönliches Lieblingslied „ya mal al Sham“. Qabbani führte viele dieser Stücke in seinen Theaterstücken auf, die seit den 1870er Jahren in Damaskus aufgeführt wurden, doch viele seiner Werke sind in Vergessenheit geraten, da sie zu seinen Lebzeiten nicht aufgezeichnet wurden.