von Florence Ollivry
Seit bald 5.000 Jahren sehen Menschen in der Zusammenführung von Ketten- und Schussfäden eine Metapher der Ehe: so trug Gilgamesch an seinem Hochzeitstag einen Gürtel, der symbolisierte, was verbunden ist. In der mesopotamischen Tradition ist das Weben als Sinnbild des Daseins in Situationen präsent, in denen der Schwerpunkt auf dem Beginn eines Prozesses (wie dem Ziehen, Spinnen, Schären) und seinem Ende (dem Weben und Falten) liegt.

Die erste in Syrien gewebte Seide war Muschelseide (byssus), deren Spuren seit mehr als 2000 Jahren bezeugt sind. Diese vermeintlich goldenen Seidenfäden ermöglichen es den großen Muscheln der Gattung Pinna, sich an Felsen festzuhalten. Selten und schwer zu ernten, war Byssusseide ein Luxusmaterial, das hochrangigen Personen vorbehalten war.
Was die Seide der Raupe des Echten Seidenspinners (Bombyx mori) betrifft, so begleitete ihr Erscheinen das Aufkommen des Islam in Syrien. Die Verbreitungsregion der Seidenraupenzucht fällt ungefähr mit dem 40. Breitengrad der nördlichen Hemisphäre zusammen: In diesen Regionen bieten sich klimatische Bedingungen, die für den Anbau von Maulbeerbäumen und die Aufzucht von Seidenraupen notwendig sind. Die Berge, Täler und Küsten des westlichen Syriens gehören zu den Gebieten, die für die Aufnahme der Seidenraupenzucht prädestiniert sind.
Der textile Luxus, der sich in den Großstädten zur Zeit der Kalifen entwickelte, führte zu einer intensiven Tätigkeit in Webereien, insbesondere in Damaskus. Als Antwort auf diese Bedürfnisse blühten der Anbau von Maulbeerbäumen und der Seidenbau (Serikultur) als Ganzes auf. In der islamischen Welt wurde Seide schon früh verwendet, um die Heiligtümer und religiösen Gebäude selbst, wie z.B. die Kaʿba in Mekka, wie heilige Körper zu umhüllen. Die Kaʿba war unter den Umayyaden mit weißem Brokat und unter den Abbasiden mit schwarzem Brokat mit farbigen Fäden, Gold und Silber überzogen. Die Tuche der Kiswa, die aus den Werkstätten der Kalifen kamen, wechselten mit den Meistern der Zeit ihre Farbe und erlaubten eine „politische“ Sprache. Die Ehre, die Kiswa bereitzustellen, wurde zum Symbol der islamischen Souveränität. Die Brokate für die Kaʿba wurden in den ṭiraz der Kalifen gewebt, d.h. in den Webereien, die sich in ihren Palästen befinden. Das Wort ṭiraz bezog sich zunächst auf ein Band mit gestickten Inschriften auf den Gewändern der Herrscher. Diese Inschriften galten als Propagandainstrument für die Herrscherdynastie, insbesondere wenn sie auf dem Tuch der Kaʿba verbreitet wurden. Im Jahr 661 wurde Damaskus zur Hauptstadt des Umayyaden-Reiches und 665 entstand dort bereits die erste Werkstatt für ṭiraz.

Der Brauch, prunkvolle Kleidung zu schenken, entsprach einer politischen Sprache. So boten die Damaszener 1260 den Mongolen Mengen kostbarer Seide an. Die Tätigkeit der Damaszener Webereien setzte die Tradition der byzantinischen Manufakturen fort. Diese Seiden waren vor allem für Pilger gedacht, die nach dem Besuch der heiligen Stätten kostbare syrische Stoffe in ihre Heimat zurückbringen wollten.

Europäische Maler des 13. bis 16. Jahrhunderts, insbesondere Italiener, entdeckten diese Stoffe, bewunderten sie und stellten sie in ihren Gemälden dar. Offensichtlich hatten sie keine Arabischkenntnisse, denn die Bordüren von ṭiraz waren zu Ehren des Propheten Muḥammad und der Kalifen gestickt, und brachten Segenssprüche oder Koranverse zum Ausdruck. Fasziniert von der Ästhetik dieser kalligrafischen Inschriften imitierten christliche Maler sie ohne sie zu verstehen und übertrugen sie als pseudo-arabische Kalligrafie in die christliche Kunst (vgl. Duccio di Buoninsegna, Giotto, Cima da Conegliano, Gentile de Fabriano, Masaccio usw.).
Es erweist sich die Geschichte der islamischen Seide, die in den Schätzen der Kirchen von Passau, Trier, Köln, Mailand, Prag, Rom, St. Josse sur Mer, Aix, Sens, Nancy, Apt und Cadouin aufbewahrt wird, oft als mit der Geschichte der Kreuzzüge verbunden. Die Beteiligung muslimischer Textilien am Reliquienkult im mittelalterlichen Westen ist ein wichtiges Phänomen: Ohne die religiöse Bedeutung dieser Stoffe zu kennen, wurden sie als schön empfunden, und die Reliquien von Heiligen und Bischöfen in sie eingewickelt.
Wie Jocelyne Dakhlia schreibt, lässt uns die Erinnerung an diesen Austausch erkennen, dass „wir auch die gleiche Geschichte teilen, gewebt aus den gleichen Fäden, gewebt von den gleichen Männern und Frauen“ (Dakhlia 2009, p. 18). Der Konflikt „darf uns nicht daran hindern, die Linien der Kontinuität, die gemeinsamen Vermächtnisse zu begreifen und zu sehen, die bedeuten, dass wir auf beiden Seiten auch Teil derselben Geschichte sind, in einer Geschichte derselben“ fährt sie fort (Dakhlia 2009, p. 22).
Im Metropolitan Museum of Art in New York gibt es eine syrische Stola. Um 1336 gewebt, wurde diese blaue Seiden-Batraschil von den Mönchen mit einem Längsschlitz überzogen und sowohl auf der Rückseite als auch auf der Vorderseite verlängert. An den Rändern der Stola wurden Inschriften in der Art der muslimischen ṭirâz gestickt. Sie trägt den Namen von Athanasius Abraham Yaghmur, Bischof von an-Nabk und Schreiber im Kloster Mar Musa.
Teppiche, Schleier, Vorhänge, Kissen, Armbänder, liturgische Gewänder: Die gewebte Faser ist ein Zeichen von Eifer, von Frömmigkeit. Das „Gewebe“ aus Fasern verbindet das Menschliche mit dem Göttlichen, verkörpert diese „religiöse“ Bindung und materialisiert das Heilige. Der Teppich ist eine Unterlage, die den Gläubigen vom Boden trennt, ein Stück Land durch einen anderen heiligen Raum ersetzt und Extraterritorialität gewährleistet. Die Menschen, nebeneinander kniend, dicht beieinander, bilden durch dieses Gebet ein Tuch, einen Teppich.
Was den Schleier betrifft, der die Distanz zwischen dem Profanen und dem Sakralen, dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, dem Menschlichen und dem Göttlichen, dem Zugänglichen und dem Unzugänglichen, dem Verborgenen und dem Offenbarten materialisiert, so ist er einerseits das Erbe des byzantinischen Christentums, in dem die Ikonen und der Chor verschleiert sind, und andererseits das der sassanidischen Tradition und des persischen Kulturraums.
Seit den Anfängen des Islam ist die Kaʿba in Mekka mit ihrer Kiswa bedeckt, die Schreine sind mit kostbaren Stoffen überzogen, die Verstorbenen werden in ein Leichentuch gehüllt, der Teppich dient als Träger des Gebets: der Stoff materialisiert den Übergang von einer zeitlichen zu einer spirituellen Dimension.


In der muslimischen Welt bilden Textilfasern das Mobiliar der Innenräume, insbesondere der Empfangs- und Ruhezonen, die mit Bänken, Sofas, Kissen und Teppichen dekoriert sind, die auf dem Boden ausgebreitet oder an den Wänden aufgehängt werden.
In Anlehnung an einen Ausdruck von Maurice Lombard, der die arabisch-muslimische Welt als „textile Zivilisation“ beschreibt (Lombard 1978, p. 253), können wir syrische Geschichte auch als „Textilgeschichte“ begreifen, der das Schicksal der Textilfasern zugrunde liegt.

Featured image: Seidenatlas aus der Produktion der Fa. Mattini in Damaskus | Florence Ollivry (CC-BY-NC-SA)
Autorenschaft von Florence Ollivry: In Syrien hat sich Florence Ollivry mit der Geschichte der Esskultur und der Seidenraupenzucht befasst. Sie ist Doktorin der Religionswissenschaften (Universität von Montréal; EPHE-PSL) und forscht derzeit über die mystische Dimension des Islam.