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von Elisabeth Korinth

Ziad Baydoun ist ein Künstler, der das Handwerk ‘Ajami praktiziert und erforscht. Zusammen mit seinem Vater leitet er eine Werkstatt in Malaysia. In unserem Interview erzählt der Künstler über seine persönliche Geschichte mit ‘Ajami, warum es wert ist, geschützt zu werden und wie er in Malaysia gelandet ist.

Ziad, was macht Ajami für Sie so besonders? Was finden Sie daran einzigartig?

Jede Zeichnung hat ihren eigenen Geist, denn jede Person zeichnet auf ihre eigene Art. Die Art und Weise, wie jemand die Motive zeichnet, unterscheidet sich immer von anderen Malern. Eine Jasminblüte ist immer noch eine Jasminblüte, aber wie der Handwerker sie in seinem Gemälde realisiert, ist einzigartig. Es ist wie ein persönlicher Fingerabdruck. Haben Sie den Film Da Vinci Code gesehen? Ich vergleiche ‘Ajami gerne mit dem Da Vinci Code. Wenn Sie sich das Gemälde und das Relief im Detail ansehen, wissen Sie, wer der Maler war und wer der Besitzer. In alten Palästen können Sie anhand der ‘Ajami -Dekoration und der Kalligraphie leicht unterscheiden, welcher Raum für Frauen und welcher für Männer oder Gäste ist. In Frauenbereichen finden Sie Gedichte über Frauen. In der Kalligraphie sind häufig Codes versteckt, die sich auf den Eigentümer des Hauses beziehen, und Verse, die seine Gastfreundschaft und Großzügigkeit loben. Ich mag es, versteckte Nachrichten in meine Bilder einzubauen. Einerseits helfen sie mir, das Bild zu erkennen, indem ich eine persönliche Note integriere. Andererseits wird die Arbeit auf diese Weise zu etwas Einzigartigen. Ich benutze die Namen der Einwohner, ihre Sternzeichen und Geburtsdaten. Oft erkundige ich mich nach dem persönlichen Geschmack meiner Kunden – zum Beispiel nach ihrer Lieblingsfarbe oder den Lieblingsblumen ihrer Kinder. Die Menschen betrachten den Islam immer als eine Religion, die kämpft und tötet. Für mich als Muslim wollte ich dieses Handwerk lernen, um den Menschen zu zeigen, dass der Islam mehr ist als Kampf. Der Islam ist auch Kunst und Schönheit.

Seit wann interessieren Sie sich für ‘Ajami und wie kam es dazu?

Die Seele des ‘Ajami: Interview mit Ziad Baydoun

Abdelraouf Baydoun arbeitet an mit ‘Ajami verzierten Wandpaneelen in Qasr al-ʿAzm | Ziad Baydoun von Baydoun Creation (CC-BY-NC-ND)

Um ehrlich zu sein, als ich jung war, schätzte ich die Kunst des ‘Ajami überhaupt nicht. Ich hatte das Gefühl, mein Vater verschwendet seine Zeit damit und war mir sicher, dass er eines Tages davon müde wird und es einfach sein lässt. Als ich anfing zu studieren, konzentrierte ich mich auf moderne Kunst und wollte meine eigene Werkstatt eröffnen. Irgendwie wollte ich nicht der Identität meines Vaters folgen. Ich wollte wirklich meine eigene Identität aufbauen. Und ich war erfolgreich. Ich hatte ein gutes Einkommen und arbeitete mit 3D. Aber ich konnte es in den Augen der Leute sehen, dass sie meine Arbeit anders betrachteten als die Kunst meines Vaters. Die Botschaft seiner Arbeit schien immer etwas in die Zukunft zu tragen. Die Leute haben weder seinen Namen noch seine Arbeit vergessen. Es gab etwas, das sein Werk grundlegend von meinem unterschied. Es ist wie ein Juwel.

Während meines Studiums gab mir mein Vater nur Geld, wenn ich für ihn arbeitete. Eines seiner Projekte war in Hama und ging über 5 Jahre. Jedes Mal, wenn ich Geld brauchte, half ich ihm bei seinem Projekt. Als ich meinen Abschluss machte, lief es noch und ich fuhr eine Weile damit fort. Während der Arbeit mit ihm veränderte sich meine Wahrnehmung von ‘Ajami langsam. Jedes Mal, wenn wir eine Arbeit beendet haben, waren wir fassungslos und fragten uns: Waren es wirklich wir, die das gemacht haben? Ich fing an, diese Kunst zu lieben und liebte sie noch mehr, als ich anfing, darüber zu recherchieren. In den folgenden Jahren wurde mir klar, dass diese Art von Arbeit weltweit anerkannt ist und dass es auf der ganzen Welt viele Räume gibt, die mit ‘Ajami -Arbeiten verkleidet sind.

In Ihrer Recherche haben Sie 15 verschiedene Phasen bei der Arbeit mit ‘Ajami identifiziert. Welche Arbeitsschritte fallen Ihnen besonders schwer? War es schwierig, alle Details zu lernen?

Die Entwicklung des Gesamtentwurfs für das ‘Ajami-Werk und dessen Umsetzung auf das Holz. Das ist wirklich schwierig. Sogar ich, mit einem Hintergrund in Innenarchitektur, finde es schwierig und manchmal nehme ich einfach Teile der Designs meines Vaters und wiederhole sie. Man kann alles lernen, aber für den Designteil muss man eine kreative Person sein. Es muss jemand sein, der einfach das Papier nehmen und zeichnen kann – der weiß, wie man die Farben zusammensetzt und mit ihnen experimentiert. Es ist ähnlich wie Musik. Wenn Sie die Noten nicht kennen, werden Sie nie sehr gut sein. Sie müssen es Note für Note kennen. Ein weiterer wichtiger Teil der ‘Ajami -Arbeit ist das Mischen von Farben und der Reliefmasse (Nabati). Normalerweise tragen wir das Nabati-Material auf die gesamte Platte auf und warten dann zwei bis drei Tage, je nachdem, in welchem ​​Bereich Sie Ihre Werkstatt haben. In Deutschland ist es anders als in Syrien oder Malaysia. Die Jahreszeiten bestimmen sowohl die Zeit als auch die Menge an Klebstoff, die man verwenden muss. Diese Bedingungen müssen in die Kalkulation der Mengen mit einbezogen werden.

Einige Workshops halten dieses Wissen geheim. Meiner Meinung nach ist es ein Fehler, dieses Wissen zu verbergen. Diese Art von Kunst wird sterben, wenn wir die Dinge geheim halten. Einige Leute befürchten, dass jemand anderes ihre Arbeit wegnehmen könnte. Warum machen sie sich darüber Sorgen? Wenn sie die Kreativität haben, müssen sie sich keine Sorgen machen. Ich bin dankbar, dass ich alle Informationen bekommen konnte. Ich habe alles von meinem Vater gelernt und sogar aufgeschrieben. Es macht mich so glücklich. Das Handwerk sollte nicht sterben.

Zurzeit leiten Sie einen Workshop in Kuala Lumpur. Wann haben Sie sich dafür entschieden, nach Malaysia zu gehen und wie ist es, mit einem traditionellen syrischen Handwerk in einem anderen kulturellen Kontext zu arbeiten?

Die Seele des ‘Ajami: Interview mit Ziad Baydoun

Modernes Wandpaneel mit ‘Ajami-Dekoration in Ziad Baydouns Werkstatt in Malaysia | Ziad Baydoun von Baydoun Creation (CC-BY-NC-ND)

Mein Vater hat 45 Jahre in Syrien mit ‘Ajami gearbeitet. Als der Krieg 2011 ausbrach, gingen die Nachfragen für ‘Ajami rapide zurück und ich zog nach Malaysia. Von diesem Zeitpunkt an wollten die Menschen in Syrien nur noch überleben und dachten nicht mehr an Restaurierungsarbeiten. Nach einer Weile bemerkte ich, dass mein Vater depressiv wurde. Nicht nur wegen der Situation in Syrien, sondern auch weil er nichts zu tun hatte. Es gab keine Arbeit. Ich habe ihn immer wieder gefragt, ob er nach Malaysia kommen möchte, um hier eine Werkstatt mit mir zu eröffnen. Ich wollte nicht, dass mein Vater das Gefühl hat, nutzlos zu sein. Ich dachte, Malaysia sei ein muslimisches Land und sie würden diese Art von Kunst daher schätzen. Endlich kam er. Aber es gab keine Projekte. Nichts. Ich eröffnete eine Werkstatt und erledigte die gesamte Papierarbeit. Aber wir hatten keine Kunden. Die Realität sah anders aus. Ajami ist ein sehr spezifisches syrisches Kulturerbe, das im Nahen Osten bekannt ist. Aber die Malaysier denken anders. Ihr Kulturerbe ist auf eine eigene Art und Weise einzigartig.

Trotz der Schwierigkeiten stand mein Vater jeden Morgen auf und arbeitete von 8 Uhr morgens bis 9 Uhr abends in der Werkstatt. Er saß einfach, zeichnete und genoss seine Arbeit. Es fühlte sich an, als würde er dabei seine eigenen Gefühle aufarbeiten und in seine Arbeit mit einfließen lassen. Wenn Sie sich seine Arbeit nun anschauen, werden Sie erkennen, wann er wütend war und wann er sich gut fühlte. Wenn seine Motive und die Ausführung geschmeidig sind, bedeutet das, dass er beim Malen glücklich war. Man kann 8 bis 9 Stunden an ‘Ajami arbeiten, ohne sich zu langweilen. Wenn man sein Gefühle in seiner Arbeit ausdrückt und dann das Ergebnis und die Reaktion der Menschen darauf sieht, fühlt man sich zutiefst geehrt im Herzen.

Besuchen Sie Ziad Bayoun´s Website um mehr über seine Arbeit zu erfahren


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