von Mohamed al-Dbiyat

Das Dorf von Shaykh Hilal liegt in der Provinz Hama am Rande der Badiya (Steppe), 55 km nordöstlich der Stadt Salamiyya. Es liegt am wichtigen Verbindungsweg nach ar-Raqqa, der von Zentralsyrien in die Euphrat-Gegend und den Landstrich der Jazira im Nordosten Syriens führt. Das Dorf liegt in einem semi-ariden Gebiet mit einem durchschnittlichen Niederschlag von 200 mm, das die westliche Grenze der Steppe bildet.

Historisch liegt das Dorf auf Ruinen eines byzantinischen Städtchens, das seine Blüte bis ins 9. Jahrhundert n. Chr. hatte. Die Ruinen befinden sich im östlichen Teil des Dorfes und sind heute noch durch Erdhügel erkennbar. Die archäologischen Überreste, welche hier und dort verstreut sind sowie der – von den Bewohnern „Burg“ genannte – archäologische Hügel (Tall) spiegeln die alte, historische Vergangenheit der früheren Stadt wider. Das heutige Dorf Shaykh Hilal hatte im Jahr 2007 laut einer Feldstudie unserer „Vereinigung der Freunde Salamiyyas“ etwa 700 Einwohner (150 Familien).

Wiederbesiedlung des Dorfes

Die mongolischen Invasionen des 14. Jahrhunderts führten zur Abwanderung der städtischen Bevölkerung vom Rande der Badiya.  Erst nachdem die Gegend im 18. und 19. Jahrhundert von Nomadenstämmen erobert wurde, begann wieder eine Rücksiedlung in die Dörfer, wie zeitgenössische Reisende berichten.

Am Ende der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts förderten die Osmanen die Besiedlung der Badiya, der Euphrat-Gegend und der syrischen Jazira, um die Herrschaft des Osmanischen Reiches zu stärken und den Getreideanbau nach Osten auszudehnen Dies diente der Verbesserung der desolaten wirtschaftlichen Lage. Im Rahmen dieser Politik siedelten sich im Jahre 1920 die aus dem Küstengebirge (vor allem den Orten al-Qadmus und Masyaf) stammenden  Migranten ismailitischen Glaubens im Dorf Shaykh Hilal an. Unter ihnen waren vor allem arme Bauern, die auf eigenem Land sesshaft werden wollten.

Die neuen Siedler übernahmen aufgrund der geeigneten Bodenbeschaffenheit in dieser Gegend die seit der Antike in der syrischen Dorflandschaft verbreitete Lehmbauweise. Sie ist bis heute typisch für die Bauweise der Kuppelhäuser. Für den Bau ihrer neuen Unterkünfte nutzten die Einwohner auch die steinernen Überreste alter Häuser.

An aerial photograph of the village of Shaykh Hilal
Luftbild des Dorfes Shaykh Hillal 2005 – © Mohamed al-Dbiyat (CC-BY-NC-ND)

Die städtische Struktur von Shaykh Hilal besteht aus Häusern mit flachen, kegelförmigen oder gewölbten Räumen, die alle aus luftgetrockneten Lehmziegeln bestehen, welche aus Heu und Lehm hergestellt werden. Die Verteilung der Häuser basiert auf dem Schachbrettmuster. Dies entspricht in gewisser Weise der Anlage einer antiken Stadt. Die Räume oder Kuppeln der Häuser liegen um einen geschlossenen Innenhof. Dieser ist groß und geräumig und mit einem Brunnen, einem Hausgarten oder umfriedeten Bereichen für die Aufzucht von Schafen oder Geflügel ausgestattet.

Laut der im Jahr 2007 von der „Vereinigung der Freunde Salamiyyas“ durchgeführten Erhebung umfasste das Dorf 348 Kuppeln (d. h. Räume), von denen 30% in gutem Zustand waren und deren Häuser bewohnbar waren. Von den 133 Häusern des Dorfes waren 45 Häuser verlassen. Aufgrund der klimatischen, ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen ist der Baustil, Lehmziegel auf den Fundamenten alter Steinruinen zu verwenden, in armen Gegenden sehr verbreitet.

Die Gestaltung der Kuppeln variiert in Größe, Höhe und Aussehen. Die Höhe einiger Kuppeln kann bis zu 5 Meter betragen, wobei sich jeweils eine Holztür und kleine Öffnungen im unteren Bereich befinden, um eine natürliche Belüftung zu ermöglichen. An der Außenseite der Kuppel sind in regelmäßigen Abständen flache Steine hervorgehoben. Während periodischer Wartungs- und Restaurierungsarbeiten, bei denen die Kuppel zum Schutz und zur Verschönerung mit weißem Kalk überzogen wird, erleichtern diese den Zugang zum oberen Bereich. Alles in allem sind die meisten Häuser außen wie innen bescheiden eingerichtet. Ausnahmen bilden einige große Häuser. Diese verfügen über ein oder zwei Räume aus Zement oder Stein.

Wirtschaftsleben in Shaykh Hilal

An aerial view of a water canal in the village of Shaykh Hilal
Luftbild von einem Wasserkanal im Dorf Shaykh Hillal – © Mohamed al-Dbiyat (CC-BY-NC-ND)

Das Dorf erstreckt sich über eine Fläche von ca. 3300 Hektar. Die wirtschaftliche Tätigkeit der Dorfbewohner (Gerstenanbau) stützt sich auf die Regenfeldwirtschaft und die künstliche Bewässerung, die die Besiedelung der Gegend gefördert hat.

Die drei unterirdischen, aus der byzantinischen und abbasidischen Epoche bestehenden Wasserleitungen (welche auch als römische Kanäle bezeichnet werden und im arabischen Maghreb als Foggara-Bewässerung bekannt sind) wurden für die Bewässerung der Felder genutzt. Die regelmäßigen Reinigungen und Wartungen durch die Dorfbewohner ermöglichten eine Nutzung bis Ende 1940. Der Einsatz mechanischer Pumpen beendete die kollektive, umweltfreundliche Nutzung des Grundwassers durch die Dorfgemeinschaft.
Vieh und Schafzucht sind ein weiterer wichtiger Wirtschaftszweig des Dorfes.

Die landwirtschaftliche Nutzung der Badiya wurde 1995 durch die syrische Regierung verboten, da diese als Ursache für die fortschreitende Wüstenbildung verantwortlich gemacht wurde. Dies führte zu einem Bevölkerungsrückgang um die Hälfte. Im Jahre 2007 zählten zur arbeitenden Bevölkerung in öffentlichen Einrichtungen (Schulen, Apotheken, Stadtverwaltung) oder anderen staatliche Einrichtungen in der Badiya nur noch die 700 Einwohner im Dorf. Um die Lebensgrundlage in Shaykh Hilal zu verbessern, startete deshalb im Jahre 2008 die „Vereinigung der Freunde Salamiyyas“ (Gründung 2006) ein Entwicklungsprojekt. Die Idee wurde von den Dorfbewohnern und auswärtigen Unterstützern, insbesondere der Schweizerischen Entwicklungsagentur (DEZA) und der französischen „Katholischen Vereinigung zur Bekämpfung der Armut“, sehr begrüßt.

Domed house in the village of Shaykh Hilal
Kuppelhäuser im Dorf Shaykh Hillal 2009 – © Mohamed al-Dbiyat (CC-BY-NC-ND)

Ein einzigartiges Projekt

A group of domed houses in the village of Shaykh Hilal
Kuppelhaus im Dorf Shaykh Hilal, 2009  – © Mohamed al-Dbiyat (CC-BY-NC-ND)

Der Schwerpunkt des Projekts lag auf solidarischem Tourismus, der Unterstützung kleinerer Projekte und dem Schutz des architektonischen Erbes des Dorfes. Dank seiner geographischen Lage an der Grenze der Wüstensteppe und der Schönheit seiner Lehmarchitektur ist die Gegend bei Touristen sehr beliebt. Das Projekt begann mit der Renovierung von 12 Kuppeln in 6 Häusern, die außerdem mit modernen Bädern ausgestattet wurden. Dies ermutigte die Dorfbewohner, sich um ihr architektonisches Erbe zu kümmern.

Während der Saison der ersten drei Jahre  (bis zum Jahr 2010) empfing das Dorf 537 syrische und ausländische Touristen (hauptsächlich aus Frankreich und Italien). Zu Beginn des Projekts stellten 6 Familien ihre Kuppelhäuser zu Verfügung, in denen in den ersten sechs Monaten des Projekts (2007) Besucher 757 Nächte verbrachten. Die Zahl der Touristen stieg seit 2008 kontinuierlich an: 41 Besucher/Innen im Jahr 2008, 158 Besucher/Innen im Jahr 2009 und 335 Besucher/Innen im Jahr 2010. Durch die tragischen Ereignisse in Syrien, die bis heute andauern, wurde das Projekt im Jahre 2011 eingestellt. Nachdem das Gebiet zum Schauplatz des Konflikts zwischen den verschiedenen Kräften wurde, verließ die Bevölkerung die Gegend, obwohl der Konflikt das Dorf nicht direkt erreichte und die Häuser nicht beschädigt wurden.

Das Dorf Shaykh Hilal ist ein wichtiges Beispiel für die Entwicklung der Lehmarchitektur in Zentralsyrien und zeigt, dass das kulturelle Erbe alter Zivilisationen noch lebendig ist. Das von unserer Institution gestartete Entwicklungsprogramm beinhaltet den Versuch, ein neues Gebäude mit hoher Umweltqualität zu entwickeln, das auf der Verwendung lokaler Materialien basiert, indem alte Erfahrungen und traditionelle Bautechniken wiederbelebt werden. Die Wahl des Baustoffs Lehm und seine Einführung in den Bauprozess verdeutlichen die zahlreichen Vorteile dieses Materials: Die kreative Zusammenführung moderner und traditioneller Techniken; die Möglichkeit, die für alle zugängliche Lehmarchitektur aufzuwerten; den respektvollen Umgang mit der Natur; und den Anspruch, die Anforderungen des ästhetischen und modernen Lebens zu erfüllen.

ِAutorenschaft von Syrian Heritage Archive Project

Gemeinschaftsprojekt zur Digitalisierung von Beständen des syrischen Kulturerbes aus Deutschland (Museum für Islamische Kunst in Berlin und Deutsches Archäologisches Institut) in der Zeit von 2013-2019

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